Der Mythos der 10000 Schritten wird wohl den meisten Leserinnen und Lesern ein Begriff sein. Dabei handelt es sich um die Aussage, dass für ein gesundes Leben mindestens 10000 Schritte pro Tag notwendig sein sollen. Entstanden ist diese Zahl, als die japanische Firma Yamasa im Jahre 1964 während der Olympischen Spiele einen Schrittzähler namens „Manpo-kei“ auf den Markt brachte, was übersetzt „der 10000-Schritt-Zähler“ bedeutet. Obwohl eine wissenschaftliche Begründung fehlte, setzte sich diese Zahl durch. Sogar die Weltgesundheitsorganisation übernahm die 10000 Schritte als Empfehlung für ein gesundes Leben. Bis heute konnte die Zahl wissenschaftlich nicht vollständig belegt werden. Wichtig ist aber, dass es bereits vor vielen Jahren in der breiten Bevölkerung ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Bewegung schuf. Insgesamt bewegen wir uns in unserem Alltag nämlich zu wenig, im Durchschnitt gehen wir weniger als 5000 Schritte pro Tag.

Der Grund für den Bewegungsmangel ist, dass die meisten Personen in unserem Breitengrad sitzend arbeiten, die Arbeitswege im Zug oder Auto ebenfalls sitzend zurücklegen, sowie die Mahlzeiten sitzend einnehmen und häufig auch die Freizeit sitzend verbringen, zum Beispiel während der Konsumation von Unterhaltungselektronik. Wenn der Alltag grösstenteils sitzend bestritten wird, ist es schwerer, diese 10000 Schritte pro Tag zu erreichen. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation weisen weltweit 60-85% der Menschen einen sitzenden Lebensstil auf. In einer EU-weiten Umfrage konnte gezeigt werden, dass der sitzende Lebensstil in den letzten zwei Jahrzenten weiter zugenommen hat.

Personen, welche weniger als 5000 Schritte pro Tag gehen, verbringen ihren Alltag grösstenteils sitzend. Personen, welche 5000 bis 7499 Schritte pro Tag gehen (ohne sonstige sportliche Betätigung), wird ein niedrig-aktiver Lebesstil nachgesagt, ein sogenannter ‚low active lifestyle‘. Bei 7500 bis 9999 Schritten spricht man von einem einigermassen aktiven Lifestyle. Sobald man über 10000 Schritte pro Tag geht, spricht man von einem aktiven Lebensstil und bei über 12500 Schritten handelt es sich um einen hoch-aktiven Lebensstil.

Aber wie viele Kilometer legt man zurück, wenn man diese 10000 Schritte geht? Die Strecke ist bei jeder Person unterschiedlich. Sie ist abhängig von der Grösse der Person und ihrer Schrittlänge. Grob geschätzt beträgt die Strecke zwischen sechs bis 8.5 Kilometer.  Im Durchschnitt braucht man 1250 bis 1500 Schritte für einen Kilometer. Die Zeitdauer für die 10000 Schritte ist abhängig von der Gehgeschwindigkeit, wie auch der körperlichen Voraussetzung. Bei einer schnellen Gehgeschwindigkeit können 10000 Schritte in 80 bis 100 Minuten erreicht werden. Bei einem normalen Schritttempo dauert es circa 120 bis 150 Minuten. Häufig werden diese Schritte aber eher über den Tag verteilt als an einem Stück bewältigt. Wie viele Kalorien man mit 10000 Schritten verbrennt, hängt vom Gewicht, dem Geschlecht und der Intensität der Schritte ab. Deshalb gibt es keinen Einheitswert, sondern ein Spektrum von 300 bis 700 Kalorien pro 10’000 Schritten.

Eine weitere Variante zur Einteilung des Aktivitätsgrades ist das metabolische Äquivalent, welches abgekürzt auch MET genannt wird. Das metabolische Äquivalent kann in MET-Stunden angegeben werden. Von der Weltgesundheitsorganisation werden pro Woche mindestens zehn MET-Stunden Bewegung empfohlen. Ein langsamer Spaziergang hat zum Beispiel 2,5 MET. Spaziert man also eine Stunde in gemütlichem Tempo, hat man 2,5 MET-Stunden erreicht. Um die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen zehn MET-Stunden zu erreichen, müsste man also vier Stunden pro Woche spazieren.

Allerdings spielt es keine Rolle, ob man die Bewegung in Schritten, in MET-Stunden oder anders zählt. Wichtig ist am Ende, wie viel man sich tatsächlich bewegt. Auch wenn es weniger als 10000 Schritte pro Tag sind, kann die Gesundheit damit bereits verbessert werden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 weisen ältere Frauen, die täglich 4400 Schritte gehen, eine niedrigere Mortalitätsrate aufweisen als Frauen, die 2700 Schritte pro Tag gehen (Lee et al., 2019). In der Studie konnte gezeigt werden, dass die Mortalitätsrate progressiv sinkt bei einer höheren Anzahl Schritte pro Tag (ibid). Allerdings konnte bei über 7500 Schritten kein weiteres Absinken der Mortalitätsrate mehr nachgewiesen werden (ibid). 

Die Quintessenz ist also, dass es keine 10000 Schritte pro Tag braucht. Es reichen auch 7500 Schritte. Aber auch diese Zahl ist nicht absolut. Wer die 7500 oder die 10000 Schritte nicht erreicht, sollte sich von der Zahl nicht einschüchtern oder entmutigen lassen. Gehen Sie stattdessen einfach so viele Schritte, wie es Ihnen möglich ist. Die Hauptsache ist, dass man sich überhaupt bewegt. Jeder Schritt zählt.

Quellen

Buhl, G. (2022). Warum Sie die 10’000-Schritte-Regel (fast) vergessen können. SRF (19. April). https://www.srf.ch/wissen/gesundheit/positives-aus-der-wissenschaft-warum-sie-die-10-000-schritte-regel-fast-vergessen-koennen 

Lee, I., Shiroma, E. J., Kamada, M., Bassett, D. R., Matthews, C. E. & Buring, J. E. (2019). Association of Step Volume and Intensity With All-Cause Mortality in Older Women. JAMA Internal Medicine, 179(8), 1105–1112. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2019.0899

Nitz, P., Mibs, M. & Hoffmann, V. (2022). Gesünder leben mit Bewegung. Wie viel Bewegung brauche ich? Stiftung Gesundheitswissen. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/gesuender-leben-mit-bewegung/wie-viel-bewegung-brauche-ich#:~:text=Wie%20viel%20Bewegung%20wird%20empfohlen,leicht%20aus%20der%20Puste%20kommt.

Nordic Walking (2020). Wie du 10.000 Schritte am Tag meisterst: 7-Schritte-Strategie. Nordic-Walking.de. https://nordic-walking.de/10000-schritte-am-tag.html

Tudor-Locke, C. & Bassett, D. R. Jr. (2004). How many steps/day are enough? Preliminary pedometer indices for public health. Sports Medicine, 34(1), 1–8. https://doi.org/10.2165/00007256-200434010-00001

Nadja Widmer

Studentin Humanmedizin
Medizinische Content-Providerin (MED4LIFE)

Betrachtung des Kniegelenks und mögliche Ursachen

Sei es die Vorbereitung auf einen Lauf, das Abschalten nach einem fordernden Arbeitstag oder das Geniessen in der Natur – das Lauftraining geniesst gesellschaftlich einen hohen Stellenwert. Die positiven Vorteile vom Laufen (z. B. Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit, besserer Schlaf oder mehr Selbstbewusstsein) können leider auch Hand in Hand gehen mit gewissen negativen Aspekten. Knieschmerzen beim Laufen sind keine Seltenheit. Rund ein Viertel aller Läuferinnen und Läufer leidet unter Knieschmerzen beim oder nach dem Lauftraining.

Mechanisch betrachtet ist das Kniegelenk ein Kompromiss zwischen zwei gegenteiligen Forderungen. In gestreckter Stellung soll es stabil sein, um der Last des Teilkörpergewichts standzuhalten. In gebeugter Stellung soll es gut beweglich sein, um dem Fuss bei unebenen Untergründen optimale Stellung geben zu können. Ein intaktes Kniegelenk erfüllt diese Aufgaben. Allerdings birgt der verringerte Gelenkflächenkontakt, der für eine grosse Beweglichkeit Voraussetzung ist, die Gefahr von Verletzungen. Wenn zusätzlich das Training des Läufers nur aus Laufen besteht, können Knieschmerzen beim Laufen die Folge daraus sein.

Zusätzlich zu den soeben erläuternden anatomischen Gegebenheiten, welche das Knie verletzungsanfällig machen, werden in der Literatur weitere auslösende Faktoren angegeben. Diese sind:

Beinachsenfehlstellungen (ugs. O-Beine / X-Beine)
Muskeldysbalancen (ungleichmässige Spannungsverhältnisse zwischen den einzelnen Muskeln)
Knorpelschäden
Überlastungen

Wie kann sich die Problematik äussern?

Oftmals wird ein vorderer oder seitlicher Knieschmerz, der sich beim Laufen oder bei längerem Sitzen verstärkt, angegeben. So kann ebenfalls eine leichte Schwellung oder eine Einschränkung der Beweglichkeit nach dem Lauftraining hervortreten.

Betrachtung aus physiotherapeutischer Sicht

Die Wissenschaft (Van Linschoten et al. 2009) konnte zeigen, dass ein physiotherapeutisch überwachtes Übungsprogramm gegenüber der üblichen medizinischen Versorgung nach drei und nach zwölf Monaten bessere Ergebnisse bezüglich Schmerzen und Funktion erzielt. So ist ein Übungsprogramm, das Rumpfkontrolle und Hüftmuskulatur unter gewichtstragenden Bedingungen einbezieht, effektiver als isolierte M. quadriceps-Übungen (Baldon et al. 2014). Beim M. quadriceps femoris (auch Beinstrecker genannt) handelt es sich um einen vierköpfigen Muskel am vorderen Oberschenkel.

Der Gang zur Physiotherapie kann also lohnend sein. Nach gemeinsamem Dialog zwischen Läufer und Therapeut und den darauffolgenden physiotherapeutischen Untersuchungen und Testungen werden Ziele und die dazugehörigen Massnahmen erarbeitet. Ein sinnvolles Ziel wird in der folgenden Tabelle näher beleuchtet.

Wie soll man das Training anpassen, wenn Knieschmerzen beim Laufen auftauchen? Wie kann man vorbeugend arbeiten?

Im Allgemeinen empfiehlt es sich, bei bereits bestehenden Knieschmerzen beim Laufen oder im vorbeugenden Sinne, die obengenannten Massnahmen mindestens zweimal wöchentlich in das Training zu integrieren. Das Krafttraining sollte dabei nicht am gleichen Tag durchgeführt werden wie die Laufeinheit. Zum Beispiel kann folgendermassen aufgeteilt werden:

  1. Montag: Funktionelles Stabilisations- und Kräftigungstraining
  2. Dienstag: Lauftraining
  3. Mittwoch: Funktionelles Stabilisations- und Kräftigungstraining
  4. Donnerstag: Ruhetag
  5. Freitag: Funktionelles Stabilisations- und Kräftigungstraining
  6. Samstag: Lauftraining
  7. Sonntag: Ruhetag

Bei akutem Auftreten von Knieschmerzen beim Laufen sollte man sich an die PECH-Regel halten:

  • Pause einlegen und das betroffene Knie ruhigstellen
  • Eis in einem Küchentuch einwickeln und kühlen
  • Compression (dt. Kompression) kann gegen die Ausbreitung von Schwellungen und Blutergüssen helfen
  • Hochlagern der Beine über Herzhöhe

Zusatztipps

Und vielleicht kommen Ihnen diese Ansätze bekannt vor? Ergänzend ist hierbei nochmals zu erwähnen, dass das stetige (!) Krafttraining relevant ist. Das konstante Kräftigen der knieumliegenden und rumpfkontrollierenden Muskulatur erhöht die Chancen, längerfristig die Knieschmerzen beim Laufen zu lindern. Nachfolgend werden Tipps aufgelistet, um die bereits aufgezählten Massnahmen noch zu ergänzen. Zusätzlich dienen sie als Anstoss, um dem Training einen neuen Reiz zu verleihen.

  • Einbeziehen der gesamten Körperarbeit und -kontrolle in das Trainingsprogramm
  • Untersuchung (durch eine Fachperson) anderer Strukturen, die auch für die anhaltende Problematik verantwortlich sein könnten (Hüftgelenk; Lendenwirbelsäule; vom Nervensystem ausgehende Beeinträchtigungen)
  • Beachtung psychosozialer Aspekte (z. B. emotionale Schmerzen; soziale Probleme; existenzielle Sinnfragen)
  • Durchführung einer Trainingsanalyse (durch eine Fachperson): Sammlung und Auswertung von Informationen wie z. B. Körpergewicht; Ernährungszustand; Konditionsniveau; ergänzendes Training weiterer Sportarten; Trainingsumfang (in Kilometer / Woche); Untergrundbeschaffenheit (Strasse, Wald, Schotter, Sand, Halle, etc.) des Terrains

Wann soll mit dem Lauftraining aufgehört werden?

Das Training ist in vielen Fällen ein hilfreiches Mittel, um beständig die Problematik zu lindern. Einige Anzeichen weisen darauf hin, dass keinesfalls weitertrainiert werden soll. In diesem Fall bedarf es einer dringenden ärztlichen Abklärung.

  • Neurovaskuläre Schädigungen = Schäden, die die Nerven und Blutgefässe betreffen
  • Riss der Patellarsehne (tastbare Lücke in der Sehne, welche sich über die Kniescheibe zieht; veränderte Position der Kniescheibe)
  • Septische Arthritis = eine keimbehaftete Entzündung eines oder mehrerer Gelenke (allgemeines Unwohlsein; Entzündungszeichen; kein vorheriges Trauma)
  • Störungen der Blutgerinnung
  • Mögliche Krebserkrankung (Krebs in der Vorgeschichte; unerklärlich anhaltende starke Schmerzen oder aussergewöhnliche Symptome ohne erklärendes Trauma im Vorfeld; Nachtschmerz)

Das Wichtigste in Kürze

Zusammenfassend gilt zu sagen, dass die Belastungsplanung (= optimale Trainingsbelastung und -regeneration) in dieser Angelegenheit ein entscheidender Faktor ist. Es bietet sich an, dreimal wöchentlich die sportmotorische Grundfähigkeit Kraft, also Krafttraining, als Basis in das Training zu integrieren. Ein Trainingsprogramm, das den Rumpf und die Kräftigung der knieumliegenden Muskulatur unter gewichtstragenden Bedingungen miteinbezieht, ist gemäss Studienarbeiten ein effektiver Weg, um Knieschmerzen beim Laufen vorzubeugen. Jedoch sind Anzeichen zu beachten, bei denen eine dringende ärztliche Abklärung erfolgen muss. In diesem Fall ist das Training für den Moment einzustellen.

Quellen

Kapandji, A.I. (2016). Funktionelle Anatomie der Gelenke (6. Auflage). Georg Thieme Verlage KG

Merz, O., & Robert, M. (2017). Handbuch Physiotherapie – Kniegelenk (1. Auflage). KVM – Der Medizinverlag Dr. Kolster Verlags-GmbH, ein Unternehmen der Quintessenz-Verlagsgruppe

Jonathan Müller

Physiotherapeut (MED4LIFE)

Die Frage nach dem gesunden Muskelaufbau stellt sich seit Längerem und birgt einige Schwierigkeiten. Das Trainieren ohne Ergänzungsmittel (engl. Supplements) kommt für viele aufgrund der persönlichen Geduld leider nicht in Frage. Früher waren hormonelle Ergänzungsmittel (allen voran Anabolika) weit verbreitet, heutzutage wird häufiger auf sogenannte Pre-Workouts gesetzt – kombiniert mit einer auf den Muskelaufbau getrimmten proteinreichen Ernährung. Weit wichtiger als die verwendeten Ergänzungsmittel sind jedoch ein passender Trainingsplan, eine korrekte Ausführung und ausreichend Erholungszeit. Dieser Artikel soll allem voran Wege des gesunden Muskelaufbaus aufzeigen und zum Schluss kurz auf die massvolle Verwendung von Pre-Workouts eingehen.

Zentral für gesunden Muskelaufbau sind der Trainingsplan und das Training selbst. Zwischen zwei Trainings müssen zwingend mindestens 24 Stunden liegen und zwischen zwei Trainings der gleichen Muskelgruppe mindestens 48 Stunden, besser sind jedoch drei Tage. Innerhalb eines Trainings ist es unabdingbar, sich die eigenen Grenzen einzugestehen. Ideal sind bei den einzelnen Kraftübungen drei Sätze mit 8-12 Wiederholungen. Es bringt für den Muskelaufbau absolut nichts, eine Übung mit zu viel Gewicht und schlechter Ausführung und womöglich deswegen mit weniger Wiederholungen durchzuführen. Der Muskelaufbau ist bei schlechter Ausführung gehemmt, weil dann in aller Regel eine Bewegung ausgeführt wird, welche andere Muskelgruppen zur Entlastung miteinbezieht. Es hilft jedoch nicht nur nicht für den Muskelaufbau, sondern kann auch gesundheitsschädigende Folgen mit sich ziehen, gerade bei schlechter Ausführung mit einer Fehlhaltung. Daher gilt der Leitsatz: Immer nur so viel Gewicht nehmen, dass Sie drei Sätze à 8-12 Repetitionen mit korrekter Ausführung gerade noch gut bewältigen können. Es darf und soll eine Herausforderung und anstrengend sein, doch zusätzliches Gewicht, das zulasten der Ausführungsqualität geht, schadet deutlich mehr, als dass es hilft.

Ein weiterer Aspekt, bei dem sich nicht nur im Fitnessstudio selbst, sondern auch medizinisch gesehen die Geister scheiden, betrifft die Pausendauer. Meistens dauert die optimale Pausendauer länger als man denkt. Sie variiert auch je nachdem, ob man im Kraftausdauerbereich (ca. 1min), im Muskelaufbau (ca. 2min) oder im maximalen Kraftbereich (mindestens 3min) trainiert. Die Pausendauer ist also gegenläufig zur Anzahl Repetitionen pro Satz, da im Kraftausdauerbereich deutlich mehr Repetitionen als im maximalen Kraftbereich gemacht werden. Eine ausreichende Pausendauer ist sehr wichtig für einen gesunden Muskelaufbau. Es wäre eigentlich naheliegend zu glauben, dass der Muskel durch kürzere Pausen stärker aufgebaut wird; doch dem ist nicht so! Denn der Muskelreiz ist deutlich höher, wenn der Muskel nach einem Satz wieder stärker erholt ist. Ein sogenannter aktivierender Satz fördert den Muskelaufbau zudem nachhaltig. Dabei wird ein halber Satz mit dem halben Gewicht und langsamer Ausführung vor den drei Sätzen à 8-12 Repetitionen gemacht. Dies dient dazu, die lokale Durchblutung des zu trainierenden Muskels zu erhöhen und den Muskel so vor dem ersten richtigen Satz optimal zu aktivieren.

Ein weiterer etwas abstrakterer Faktor, der jedoch den gesunden Muskelaufbau fördert, ist die sogenannte Mind-Muscle Connection. Dabei geht es darum, sich gedanklich ausschliesslich auf den beanspruchten Muskel zu fokussieren. Dies schärft das Bewusstsein für die Muskelarbeit. Der physiologische Hintergrund liegt darin, dass dadurch die Signalweiterleitung an den entpsrechenden Muskel vom zentralen Nervensystem aus erhöht wird und als Konsequenz davon die Durchblutung des Muskels stärker angeregt wird als ohne Mind-Muscle Connection. Es ist jedoch gar nicht so einfach, sich auf diese Mind-Muscle Connection einzulassen, denn es mutet zugegebenermassen etwas esoterisch an. Am besten funktioniert die Mind-Muscle Connection, wenn Sie sich beim Einatmen vorstellen, dass Sie ”in den entsprechenden Muskel atmen”.

Zum Schluss ein paar Worte zu Pre-Workouts. Die meisten Pre-Workouts basieren auf Koffein und Kreatin. Sie fördern somit die Wachheit (Koffein) und das Muskelwachstum (Kreatin). Solange hierbei die Toleranzgrenzen nicht überschritten werden, was leider häufig geschieht, können diese zwei Substanzen als gesund und gleichzeitig wachstumsfördernd angesehen werden. Für Koffein liegt die Grenze bei 200 Milligramm pro Einnahme und 400 Milligramm pro Tag. Beim Kreatin ist sie nicht so genau bestimmbar, da es verschiedene Einnahmeformen gibt, ein grober Richtwert sind jedoch vier Gramm.

Jil Toman

Jil Toman

Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)

Functional Training ist heutzutage in aller Munde. Seit ca. 20 Jahren hat diese Trainingsform, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen mag, Einzug in die Fitnessstudios und in das Athletiktraining gehalten – nicht zuletzt durch prominente Wegbereiter wie Gray Cook, Michael Boyle oder Mark Verstegen. Doch was verbirgt sich überhaupt hinter diesem Begriff?

Krafttraining wurde nicht zuletzt durch den Aufschwung des Bodybuilding in den 70er- und 80er-Jahren durch namhafte Vertreter dieser Zunft wie Arnold Schwarzenegger gleichgesetzt mit aktiver Körpergestaltung und isoliertem Training einzelner Muskeln, um eine maximale Hypertrophie (d.h. ein Massewachstum) zu erreichen. Mittel der Wahl, um diesen Effekt zu erzielen, waren und sind Fitnessgeräte wie man sie heute in jedem Fitnessstudio finden kann. Primäre Bewertungskriterien für diesen Sport sind insbesondere die Muskulosität (Masse, Härte, Definition, Vaskularität der Muskulatur), die Symmetrie (zwischen linker und rechter Körperhälfte) und die Proportionen (zwischen den einzelnen Muskelgruppen) – mit dem Ziel ein möglichst ästhetisches Gesamtkunstwerk zu präsentieren.

Mit den Ursprüngen und der durch die Evolution eingeschliffenen Funktionsweise unseres Bewegungsapparates hatte dieses Trend nicht mehr sonderlich viel zu tun. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass mit dem „Functional Training“ Anfang der 2000er-Jahre eine Rückbesinnung auf die Funktionalität menschlicher Bewegungsmuster eingesetzt hat, die sich den zunehmend „unfunktional“ gewordenen Praktiken im Krafttraining bis heute entgegenstellt. Doch was versteht man unter funktionalen Bewegungen überhaupt?

  • Sie involvieren mehrere Muskeln und Muskelgruppen gleichzeitig, wirken auf mehrere Gelenke (z.B. Laufen, Springen, Tragen) und sind zumeist komplex (koordinativer Aufwand für die im Gehirn modulierten Bewegungsabläufe)
  • Sie sind alltagsrelevant und keiner einzelnen Sportart zuzuordnen (z.B. Aufheben eines schweren Gegenstands vom Boden, Hochziehen des Körpers an einem Objekt, schnelles Weglaufen vor einer Gefahr). Wichtig ist die Anmerkung, dass „alltagsrelevant“ sich auf die Vielzahl körperlicher Herausforderungen bezieht, auf die die Evolution uns vorbereitet hat, und nicht auf den vorwiegend sesshaften und bewegungsarmen Alltag unserer heutigen Zivilisation.
  • Sie entspringen einer starken Rumpfstabilität (= Core) und erlauben erst dann eine effektive Kraftübertragung auf die menschlichen Extremitäten. Auf diesem Zusammenhang basieren fast alle Sportarten, die wir kennen: Ohne starken Rumpf und reziproken Einsatz von Hüfte und Schulter gelingt einem Golfspieler kein sauberer Aufschlag bzw. eine erfolgreiche Aktion – genauso wenig wie einem Tennis- oder Fussballspieler, einem Sprinter oder einem Gewichtheber (um nur ein paar Beispiele von vielen zu nennen).
  • Sie sind auf Ganzheitlichkeit fokussiert, indem sie einen Ausgleich der grundsätzlichen, körperlichen Fähigkeiten propagieren (siehe auch unseren Artikel „Was ist Fitness?„). Ein Zugewinn an Kraft bei gleichzeitigem Verlust von Balance oder Koordination wäre vor diesem Hintergrund zum Beispiel nicht anzuraten.

Mit diesem Ansatz einhergehend beschäftigt sich das Functional Training notwendigerweise auch mit Einschränkungen in der Funktionalität von Bewegungen (Dysfunktionen und -balance sowie Asymmetrien) durch unzureichende Mobilität und/oder motorische Kontrolle. Leider verlangt unser heutiger Alltag – ebenso wie viele Trainingsformen des Krafttrainings -, dass wir das Wort „Functional“ als Spezifikation zum Training hinzufügen, um auf die beabsichtigten Effekte hinzuweisen. Ohne unfunktionales Training gäbe es schliesslich kein funktionales.

Eine gute und ansprechende Anlaufstation für Übungen aus dem Functional Training findet sich in der Übungsbibliothek (Exercise Library) von Functional Movement Systems inklusive Anleitungen zur jeweiligen Übungsausführung mittels Text und Bewegtbild.

Dr. Carsten Paulus

Dr. Carsten Paulus

Chief Executive Officer (MED4LIFE)
Bewegungstherapeut und Fitnesstrainer (MED4LIFE)
Coach für Sporternährung (MED4LIFE)

Fitness wird im Englischen auch als so genannte „General Physical Preparedness“ (GPP) bezeichnet – also das generelle körperliche Vorbereitetsein. Die Komponenten dieser begrifflichen Einordnung zeigen, worum es geht:

Generell: Ein spezialisierter Profisportler wie z.B. ein Triathlet, ein Gewichtheber oder ein 100m-Sprinter ist per definitionem nicht automatisch „fit“. Ganz im Gegenteil: Die Schaffung allgemeiner körperlicher Voraussetzungen wird umso schwieriger, je mehr eine spezifische Sportart einen Fokus auf einzelne physische Fähigkeiten (z.B. Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit) zu Lasten anderer bedingt.

Körperlich: Das Spektrum an körperlichen Fähigkeiten beinhaltet kardiovaskuläre/respiratorische Ausdauer (Aufnahme, Nutzung & Transport von Sauerstoff), Ausdauer (Ermüdungswiderstandsfähigkeit und Energieverarbeitung, -nutzung & -speicherung), Kraft (maximale Kraftentfaltung im Zusammenspiel der Muskulatur), Mobilität (volle Bewegungsamplitude bzw. „Range of Motion“ gemäss den anatomischen Voraussetzungen der jeweiligen Gelenke), Leistung (Energie pro Zeiteinheit, d.h. maximale Kraftentfaltung der Muskulatur in einem minimalen Zeitraum), Geschwindigkeit (Minimierung der Zeitdauer einer wiederholten Bewegung), Koordination (Kombination verschiedener Bewegungen in ein komplexes Bewegungsmuster), Agilität (Minimierung der Übergangszeit von einem Bewegungsmuster in ein anderes), Balance (Stabilisierung des Körperschwerpunktes über der Unterstützungsfläche), Präzision (Kontrolle von Bewegungen in  bestimmter Richtung oder Intensität)

Vorbereitetsein: Die Isolation einer oder weniger körperlicher Fähigkeiten bei gleichzeitiger Kompromittierung anderer körperlicher Fähigkeiten reduziert die Fitness. Am fittesten ist der Sportler, der die 10 oben genannten Fähigkeiten im Schnitt am besten beherrscht und auf eine möglichst grosse Bandbreite sportlicher Herausforderungen am besten vorbereitet ist. Vorbild sind Sportarten wie der Sieben- (Frauen) bzw. Zehnkampf (Männer) in der Leichtathletik sowie CrossFit als Fusion von Gewichtheben, Gymnastik und metabolischer Konditionierung. Damit hier sportliche Leistungsfähigkeit stattfindet, müssen die Trainingstimuli relativ breit sein und permanent variiert werden. Dies ist eine Annäherung an unser evolutionäres Erbe, die abwechslungsreichen Aufgaben in der Natur zu bewältigen und zu überleben.

Fazit: Sie wollen FIT werden? Dann verzichten Sie auf Spezialisierung und trainieren Sie…

  • breit (viele Sportarten mit unterschiedlichen Schwerpunkten innerhalb der 10 Fähigkeiten),
  • variantenreich (z.B. 100m-Sprint, 10km-Lauf und Halbmarathon; Maximalkraft ebenso wie Kraftausdauer)
  • sowie funktional (komplexe, mehrgelenkige Bewegungen)
Dr. Carsten Paulus

Dr. Carsten Paulus

Chief Executive Officer (MED4LIFE)
Bewegungstherapeut und Fitnesstrainer (MED4LIFE)
Coach für Sporternährung (MED4LIFE)