Trauer ist grausam. Trauer ist individuell. Nach einer gewissen Zeit der Trauer stellt sich ein seltsames Gefühl ein. Man fragt sich oft, was die Person um die man trauert, in dieser Situation gewollt hätte. Viele fragen sich auch, ab wann sie nach einem Trauermoment wieder glücklich sein „dürfen“. Dieser Artikel soll diese psychologischen Themen aufgreifen und Denkanstösse für Betroffene liefern.
Ich habe mich bewusst für Denkanstösse und nicht für beispielsweise einen „Leitfaden“ entschieden. Jede Person trauert anders, zeigt dies anders und verarbeitet die Situation auf andere Weise. Diese Individualität erschwert auch den medizinischen Umgang mit Trauer. Einerseits ist es enorm schwierig, eine trauernde Person bei Bedarf adäquat und den Wünschen entsprechend zu unterstützen und zu begleiten. Andererseits sind Trauerratgeber oftmals sehr vage formuliert oder basieren einfach auf persönlichen Meinungen und Erfahrungen. Das sind zwei Faktoren, welche den Umgang mit Trauer für Aussenstehende erschweren.
Man kann aber auch in der so individuellen Trauer einheitliche Züge und Tendenzen ausmachen. In diesem Artikel möchte ich mich jedoch nicht primär auf die Trauer selbst, sondern auf den Zeitraum um das Ende der intensivsten Trauerzeit fokussieren. Denn hier lässt sich einer dieser erwähnten einheitlichen Züge im Rahmen der Trauer feststellen: Fast jede trauernde Person hinterfragt in dieser Zeit der Trauer ihr eigenes (Trauer-)Verhalten. Wann darf man beispielsweise nach dem Tod der Grossmutter, die man geliebt habt, wieder aufrichtig glücklich sein? Weil die Trauer ein Prozess und kein Event ist, gibt es keinen festgelegten Zeitpunkt. Doch es gibt Optionen.
Versuchen Sie, wenn für Sie der erste intensivste Trauermoment bewältigt zu sein scheint (Auch hierzu gibt es keinen Zeitplan! Das können zwei Tage, zwei Wochen oder auch zwei Monate sein) bewusste Räume der Trauer zu schaffen und sich im Alltag zunehmend von der Trauer loszulösen. Diese bewussten Zeiten der Trauer können beispielsweise nach der Arbeit oder vor dem Schlafengehen sein. Das bewusste Trauern hilft Ihnen, dass die Trauer im Alltag nicht weiter Überhand nimmt und Sie sich dennoch ganz bewusst mit sich, Ihrer Trauer und der Person, um die Sie trauern, auseinandersetzen. In diesem Zeitraum darf die gesamte Aufmerksamkeit dem Trauern gewidmet werden. Wichtig ist, dass Sie diesen Raum der Trauer zeitlich festlegen. Diese Zeitdauer ist individuell wählbar. Für gewisse Personen können das fünf Minuten intensive Auseinandersetzung mit der Trauer sein, andere können Stunden dafür brauchen.
Abschliessend soll nun auf die Verhältnismässigkeit von Trauer eingegangen werden. Oft wird man als trauernde Person danach bewertet, wie man mit der Trauer umgeht. Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber. Denn Trauer ist von Erinnerungen und von Emotionen geprägt und nicht rational geleitet. So kann beispielsweise für ein Kind der Tod des Hamsters eine genauso starke Trauerreaktion auslösen wie der Tod der Grossmutter, wenn es eine enge Bindung dazu hatte. Als Aussenstehende sollte man daher Emotionen der Trauer niemals bewerten oder gar abwerten. Diese Trauerbewertung geschieht oftmals nur sehr subtil, doch sie kann gerade in der bestehenden Trauersituation sehr verletzend sein.
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)
Kunst für mein System
Kunst kann aktiv wie passiv wirken. Wenn ich aktiv gestalte, hat das grosse Auswirkungen auf mein System: ich verbessere meine Feinmotorik und Koordination, ich trainiere meine beiden Hirnhälften in Logik und Kreativität – idealerweise synchronisiere ich sie sogar – und ich kann meinem Innersten ohne Worte Ausdruck verleihen. Ich werde ruhiger und entspannter, weil ich mehr bei mir bin und weniger in der Ablenkung, im «Aussen»; zudem macht meine Amygdala – das Angstzentrum im Gehirn – Pause. Ich entdecke Neues, und ich lasse meiner Fantasie freien Lauf ohne Angst vor Experimenten. Alles ist erlaubt, alles ist möglich und ich werde zum Schöpfer oder zur Schöpferin.
Kunst für meine Gesundheit
Was hat Malen mit der Gesundheit zu tun? Wenn ich kreativ bin, erschaffe ich etwas. Immer wenn ich Schöpfer oder Schöpferin bin, gebe ich meinem Leben einen Sinn. Ich trage zur Verschönerung der Umgebung bei oder zur Freude der Mitmenschen an meinem Erschaffenen. Das hilft mir, mich wertvoll zu fühlen, indem ich mich wahrnehme und ausdrücke. Wenn ich in die Eigenwahrnehmung gehe und mich ermächtige, kreativ zu sein, reduziere ich Stress und Angst, weil ich nicht fremdbestimmt bin. Ich senke den Level der Stresshormone, was in Verbindung mit dem gesamten Hormonsystem von Schilddrüse und Bauchspeicheldrüse steht, der Blutdruck normalisiert sich, was wiederum das Herz-Kreislauf-System entlastet, und das Immunsystem beruhigt sich, was meine Anfälligkeit für unzählige Erkrankungen wie auch Autoimmunerkrankungen reduziert. Das ist gut für die Gesundheit!
Wenn ich allein male, bin ich ganz bei mir, vertieft in mein Tun. Das kann eine meditative Wirkung haben. Die Gedanken ruhen, die Seele baumelt und ich entspanne mich. Wenn ich in einer Gruppe male, kann ich meine Kreativität mit anderen verbinden, wir kommen in Fluss, was mir das Gefühl von Zugehörigkeit, Gruppenbewusstsein, Verbundenheit und Vernetztheit vermitteln kann. Das ist gut für die Gesundheit!
Kreatives Arbeiten hilft nicht zuletzt, meiner Gefühlswelt ein Gefäss zu geben, da ich mich durch das Malen ausdrücken kann. Emotionen wie Angst, Wut, aber auch Freude finden eine Plattform, werden gesehen und durch den kreativen Akt transformiert in Farbe und Formen. Danach fühle ich mich leichter und freier. Auch das ist gut für die Gesundheit!
Kunst als Informationsträger
Kunst kann auch nutzbar gemacht werden, um Informationen zu transportieren. Es gibt faszinierende Untersuchungen, wie Gemälde und Installationen – als passiver Kunstgenuss – Menschen inspirieren und motivieren können, etwas aktiv anzugehen, beispielsweise im Zusammenhang mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit (Klöckner & Sommer 2019).
Andere Studien zeigen, wie Kunst – als aktive Praxis – zum Weg des Ausdrucks für demente Menschen wird und sie zur Sprache kommen lässt (Lee, 2019; Pongan et al., 2020). Wenn der Selbstausdruck stattfinden darf, stärkt das auch die Resilienz (Newman, 2019). Bei Schülern konnte beobachtet werden, dass sich ihre Noten in anderen Fächern verbesserten, wenn sie den Kunstunterricht besuchten (Hardiman, 2019). Aufmerksamkeit wie Gedächtnisleistung waren markant verbessert (ebd.).
Der aktive wie passive Kunstgenuss kann Symptome wie Schmerzen, Depressionen oder neurologische Probleme lindern. Die Lebensqualität wird gefördert. Schon ein Museumsbesuch wirkt nachhaltig positiv, noch mehr aber profitiert man, wenn man selbst künstlerisch aktiv wird.
Therapeutisches Malen
In künstlerischen Prozess werden schöpferische Energien in Farbe und Form transformiert. Gedanken und Gefühle finden ihren Ausdruck ohne Worte und damit auch oft unmittelbarer als über die Sprache oder Schrift. Es kann bei psychischen Störungen helfen, in Kommunikation zu kommen oder aber die Konzentration zu stärken wie auch die innere Unruhe zu bremsen. Verdrängtes und in der Tiefe Abgespeichertes kann zum Ausdruck gelangen. Da wir unter anderem in Bildern denken, ist Malen eine grossartige Möglichkeit, Verdrängtes an die Oberfläche zu bringen, ins Bewusstsein zurückzuholen. Verdrängen raubt unendlich viel Energie. Diese kann transformiert werden, wenn sich über die kreative Betätigung neue Lösungswege eröffnen.
Kunst kann die Selbstheilung in Schwung bringen. Ob ich den passiven oder aktiven Kunstgenuss bevorzuge und von welcher Form ich eher profitiere, hängt auch von mir selbst und meinen Vorlieben ab. Hier gilt es, auszuprobieren, was mir in meiner individuellen Situation eher entspricht und wie ich bestmöglich mithilfe der Kunst den Zugang zu meinem Inneren finden kann.
Quellen
Hardiman, M. (2019). The effects of arts-integrated instruction on memory for science content. Trends in Neuroscience and Education, 14, 25–32. DOI: 10.1016/j.tine.2019.02.002
Klöckner, C.A., & Sommer, L.K. (2019). Does activist art have the capacity to raise awareness in audiences? A study on climate change art at the ArtCOP21 event in Paris. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts. DOI: 10.1037/aca0000247
Newman, A. (2019): The role of the visual arts in the resilience of people living with dementia in care homes, Ageing & Society, 39(11), 2465–2482. DOI:10.1017/S0144686X18000594
Pongan, E. et al. (2020). Immediate benefit of art on pain and well-being in community-dwelling patients with mild Alzheimer’s. American Journal of Alzheimer’s Disease & Other Dementias, 35. DOI: 10.1177/1533317519859202
Lee, R. (2019). Art therapy for the prevention of cognitive decline. The Arts in Psychotherapy, 64, 20–25. DOI:10.1016/j.aip.2018.12.003
Leiterin Komplementärmedizin (MED4LIFE)
Was bedeutet Leben? Woher kommen wir? Was tun wir hier? Und wohin gehen wir? Warum werden wir geboren? Und was gilt es in einem Leben zu erfahren? Wer leitet uns an? Was beseelt uns? Was bewegt uns? Dies sind individuell zu beantwortende Fragen, wobei die Antwort jeweils auf der zugrundeliegenden Weltanschauung und Kultur basiert. Möglicherweise gibt es so viele Antworten darauf wie es Menschen gibt.
Gehen wir von unserer christlichen Religion aus, erhalten wir zum Woher keine oder nur sehr vage Antworten. Immerhin wird uns vermittelt, dass die Seele nach dem Tod in die Ewigkeit eingeht, wo sie je nach Lebensführung in den Himmel erhoben oder in die Hölle verdammt wird. Zu diesem Zweck gibt es einen Gott, der über uns und unsere Lebensführung urteilt. Das Leben ist dann dementsprechend so zu führen, dass man möglichst nicht in die Hölle kommt. Um dies zu vermeiden haben die christlichen Kirchen Anleitungen und Rituale entwickelt. Über Jahrhunderte hinweg haben sich die Menschen an diesen äusseren Hilfen orientiert. Vielleicht haben sie dadurch aber auch ihren inneren Kompass etwas aus den Augen verloren.
Auch in anderen Kulturen finden wir die unterschiedlichsten Erklärungen und Anleitungen zur Führung eines Menschenlebens. Dabei spielten immer die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen – wie Sicherheit und Zugehörigkeit – eine entscheidende Rolle. In vielen Kulturen und Religionen war es nur wenigen vorbehalten, die entsprechenden Regeln zur Lebensführung zu bestimmen und vorzugeben. Die Gefahr dabei war und ist immer noch, dass die Menschen dadurch ihre Selbstverantwortung abgeben. Heute haben Religionen und Kulturen massiv an Hoheit eingebüsst, an ihre Stelle sind Ersatzreligionen und Experten getreten, die den Menschen die Welt erklären und ihnen sagen, was sie zu tun haben. Unsere Welt des Konsums ist heute unsere Kultur, unsere Basis, während Social Media die Rituale ersetzt hat. Wir befinden uns nach wie vor und immer mehr in einer massiven Abhängigkeit von Äusserlichkeiten. Geändert haben sich ledliglich die Inhalte, auf die wir gebannt schauen und denen wir hinterherrennen.
Wie finden wir zu unserer Eigenverantwortung zurück? Wie werden wir Schöpfer unseres Lebens, das wir selber gestalten? Wie können wir lernen, herauszufinden, was wir brauchen und was uns dient, ohne anderen oder dem grossen Ganzen zu schaden? Wie würde es sich anfühlen, wenn wir das Zepter wieder in die eigenen Hände nehmen würden? Was wäre, wenn wir realisieren würden, welch immense Kraft uns innewohnt? Das Zauberwort in diesem Kontext heisst Selbstermächtigung. Niemand kann uns den entscheidenden Schritt abnehmen, wenn wir merken, dass es Zeit ist, die Anleitung für unseren Seelenplan aktiv und selbstbewusst in die Hand zu nehmen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist mit diesem Schritt auch ein hohes Mass an Loslass-Arbeit verbunden. Es bedingt, die vielen „Abhängigkeiten im Aussen“ loszulassen, wenn wir Schöpfer und Schöpferinnen werden wollen.
Somit startet die eigentliche Arbeit mit der Suche nach den Abhängigkeiten. Wo bin ich gefangen in Situationen, Beziehungen und Mustern, die mich lähmen? Wo bedarf es eines beherzten Schritts hin zur Veränderung? Dies kann das Auflösen eines Arbeitsverhältnisses, das Beenden einer Beziehung oder die Aufgabe eines nicht dienlichen Musters sein. Nach der Befreiung beginnt die Suche nach dem Sinn meines Daseins. Eine erste Sinnfrage könnte die Suche nach Talenten und Fähigkeiten sein, die Frage auch, was ich werden wollte, als ich klein war. Was war damals mein Traumberuf? Oft zeigte sich da schon die Berufung, weil wir den Seelenplan noch im Auge und im Herzen hatten.
Was für Glaubensmuster kann ich loslassen? Eltern, Lehrer und andere nahestehende Menschen prägen uns ein Leben lang, sofern wir nicht die Muster und Glaubenssätze sortieren und ausmisten. Das heisst erkennen, was hilfreich ist und mitgenommen werden kann und was wir getrost hinter uns lassen können. Dies erfordert eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich und all denen, die uns geprägt haben. Wenn Muster hinterfragt wurden und das eigene Dasein gemäss Seelenplan erkannt wurde, kann auch die Arbeit an den Beziehungen starten. Mit wem verbringe ich meine Zeit und tausche mich aus? Wenn ich mir meiner selbst bewusst bin, wähle ich auch bewusst die zu mir passenden Menschen. Auch das kann bedeuten, dass ich eine Beziehung aufgeben muss. Aufräumen heisst oft aufbrechen zu neuen Dimensionen und Erfahrungen und gleichzeitig Altes loslassen.
Schliesslich gelangen wir in der Tiefe zu den Mustern und Glaubenssätzen, die uns anleiten, aber auch blockieren können. Oftmals sind dies nicht unsere eigenen Schöpfungen, sondern wir haben sie unbewusst übernommen. Es lohnt sich, diese hervorzukramen und in Ruhe zu überprüfen. Dienen sie oder lähmen sie eher? Bringen sie mich weiter oder blockieren sie mich? Vieles ist Ballast und behindert die Prozesse unseres Körper-Geist-Seelensystems. Wenn ich meinem Seelenweg folge, überprüfe ich regelmässig, welchen Mustern und Glaubenssätzen ich entspreche und ob sie mir (noch) dienen.
Mittels unterschiedlicher Techniken kann man lernen, diese Muster zu erkennen und zu transformieren. Oft braucht es dafür Anleitung und Führung, da wir am besten lernen, wenn wir „gespiegelt“ werden; das heisst im aktiven Austausch mit einem anderen Lebewesen, das uns hilft bei der Interpretation. Auch Tiere können Spiegel sein, allerdings ist es dann anspruchsvoller, die Hinweise zu lesen und wir brauchen eventuell Hilfe dabei. Der Lebensweg verläuft entlang eines Seelenplans. Wie oft wir uns verlaufen, Zusatzschlaufen nehmen oder schummeln, indem wir versuchen, Abkürzungen zu nehmen, hängt von uns ab. Es gibt den vielgerühmten freien Willen bis zu einem gewissen Grad, wenn wir erkennen, dass wir Schöpfer sind. Allerdings unterliegen wir immer noch einem grossen universellen Plan, den es in Demut anzuerkennen gilt.
Leiterin Komplementärmedizin (MED4LIFE)
Nebst körperlichen Krankheiten können Menschen auch unter psychischen Krankheiten leiden. Psychische Störungen sind sehr verbreitet. Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) erkranken in der Schweiz im Laufe eines Jahres bis zu einem Drittel der Bevölkerung daran. Des Weiteren sind psychische Störungen in der Schweiz die häufigste Ursache für Invalidität. Studien haben gezeigt, dass jede zweite Person irgendwann im Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Wenn man selbst nicht betroffen ist, kennt man meist jemanden aus dem Umfeld, der psychisch erkrankt.
Wir Menschen sind sehr robust konzipiert, sodass wir meist in der Lage sind, negative oder traumatische Ereignisse zu bewältigen und uns nach kurzer Zeit wieder zu erholen. Dennoch kann es vorkommen, dass wir den Umständen nicht gewachsen sind und es zu einer psychischen Dekompensation (Zusammenbruch) und schliesslich zu einer Krankschreibung kommt. In einem solchen Fall sind die Lebensqualität und die allgemeine Lebensbewältigung beeinträchtigt sowie der Leidensdruck und die Belastung hoch. Es können z.B. Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafprobleme, sogar körperliche Symptome auftreten. Die Leistungsfähigkeit sinkt.
Psychische Störungen sind meist gut behandelbar, weshalb es sich lohnt, sich bei Fachpersonen, z.B. Psychotherapeuten oder Psychiater, Unterstützung zu holen. Je früher eine Behandlung gestartet wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung. Und je höher die eigene Veränderungsmotivation, desto erfolgreicher kann eine Psychotherapie sein. Leider ist es heutzutage immer noch so, dass sich viele keine Hilfe holen, z.B. aus Scham, aus Angst vor Stigmatisierung oder weil man es doch alleine schaffen möchte. Nicht selten werden Bewältigungsstrategien angewendet, welche schädlich sind (z.B. Alkoholkonsum, selbstverletzendes Verhalten), oder man zieht sich vollständig zurück und bricht den Kontakt mit Freunden ab. Um einen besseren Umgang mit der schwierigen Situation zu finden und insbesondere um genauer abzuklären und um zu verstehen, was eigentlich in einem vorgeht, ist eine Psychotherapie empfehlenswert.
Psychische Erkrankungen sind – anders als viele körperliche Krankheiten – meist von aussen gar nicht erkennbar und man merkt sie den Betroffenen teilweise nicht an. Sie gehören zu den am meisten verbreiteten Erkrankungen und doch werden sie nicht immer erkannt. Eine psychische Störung kann jeden treffen, ob eine beruflich erfolgreiche Person, einen von aussen glücklich wirkenden Vater, oder eine gute Schülerin. Es können Menschen in allen Altersklassen und Gesellschaftsformen darunter leiden. Es gibt viele innere und äussere Einflüsse und Erfahrungen, welche uns prägen und die Entstehung einer psychischen Störung erklären können.
Was sind psychische Störungen?
Der Begriff «Psyche» stammt aus dem Griechischen und bedeutet «Seele». «Unter dem Begriff der Psyche versteht man alle höheren Funktionen des Gehirns, welche die geistigen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen ausmachen. Diese umfassen unter anderem die Wahrnehmung, Kognition, Emotion und Motivation sowie deren Wechselwirkungen und die hierdurch beeinflussten Handlungsweisen des Individuums» (DocCheck). Folglich stellen gemäss der WHO psychische Erkrankungen «Störungen der psychischen Gesundheit einer Person dar, die oft durch eine Kombination von belastenden Gedanken, Emotionen, Verhaltensweisen und Beziehungen zu anderen gekennzeichnet sind». Ist eine oder sind mehrere der psychischen Funktionen beeinträchtigt bzw. geraten diese aus dem Gleichgewicht, kann sich eine psychische Störung entwickeln. Diese zeigt sich durch eine Veränderung des Verhaltens, der Gefühle, des Denkens und des Körpers. Welche konkreten Merkmale verändert bzw. beeinträchtigt sind, hängt vom Störungsbild ab.
Welche psychischen Störungen gibt es?
Einige Beispiele von psychischen Störungen sind Depression, Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Schizophrenie, psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Persönlichkeitsstörungen und Intelligenzstörung. Am Beispiel der Depression können Veränderung des Verhaltens, der Gefühle, des Denkens und des Körpers folgendermassen aussehen:
Darunter gibt es vermutlich einige Symptome, welche jeder auch von sich kennt. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass man unter einer Depression leidet. Psychische Störungen werden nach einem bestimmten Schema kategorisiert, damit sie besser erkannt und beurteilt werden können. Man verwendet heute zwei Klassifikationssysteme, DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und ICD-11 (International Classification of Diseases). Das ICD-11 wurde von der WHO herausgegeben und beinhaltet neben psychischen Störungen auch somatische/körperliche Krankheiten. Im Fall der Depression legt das ICD-11 nebst dem Vorliegen von Symptomen auch weitere Kriterien fest, wie zum Beispiel die Dauer, die Anzahl und den Schweregrad der Symptome.
Diese Klassifikationssysteme sind die Grundlage für die Diagnose einer psychischen Erkrankung. Sie beinhalten eine genaue Beschreibung von Beeinträchtigungen bzw. Kriterien, welche gegeben sein müssen, um eine Diagnose zu stellen. Bedeutsam sind diese Klassifikationssysteme auch, um den Behandlungsplan festzulegen, sodass möglichst gezielt eine psychotherapeutische und/oder psychiatrische Unterstützung erfolgen kann.
Quellen
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_bulletin_2017-05_d.pdf
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_72_bericht_2.pdf
https://www.obsan.admin.ch/sites/default/files/obsan_15_2020_bericht_2.pdf
https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/statistik.html
https://flexikon.doccheck.com/de/Psyche
American Psychiatric Association (2014). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen: DSM-5. Göttingen: Hogrefe.
Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F) – Klinisch-diagnostische Leitlinien (10., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
Perrez, M. & Baumann, U. (2005). Lehrbuch Klinische Psychologie-Psychotherapie, 3. Auflage. Bern: Huber.
Master of Science in Psychologie
Medizinische Content-Providerin (MED4LIFE)
Die Psychosomatik beschreibt ein interdisziplinäres Fachgebiet der Medizin, das sich mit dem Einfluss von psychischen und sozialen Faktoren auf den Körper auseinandersetzt. Sie beschäftigt sich somit mit der Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper. Dieses Fachgebiet ist verhältnismässig jung. Die Menschheit brauchte also lange, um zu erkennen, dass die Psyche nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern immer auch Auswirkungen auf Funktionen des Körpers hat. Bekannte Beispiele sind Veränderungen des Blutdrucks oder des Atemverhaltens bei starken psychischen Belastungen. Diese Wechselwirkung ist jedoch keine Einbahnstrasse. Es ist also nicht so, dass nur die Psyche einen Einfluss auf körperliche Funktionen haben kann. Es kann auch vorkommen, dass körperliche Einschränkungen einen negativen Einfluss auf die Psyche haben.
Die Psychosomatik ist sowohl für die Patient*innen als auch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt sehr komplex. Diese Komplexität wird anhand des Beispiels der unspezifischen Rückenschmerzen etwas genauer erläutert. Das Beispiel liefert auch vertiefte Einblicke in den Umgang mit psychosomatischen Erscheinungsbildern bei Patienten. Die Hauptgründe für Rückenschmerzen in der Schweiz sind gemäss des Rückenreports 2020 von der Schweizerischen Ärztezeitung Muskelverspannungen (55%), Überbelastung (38%), falsche Bewegungen (37%) und Stress, Sorgen und Probleme (33%) (Mehrfachangaben waren möglich, daher sind es insgesamt nicht 100%). Die gegenseitige Beeinflussung von Rückenschmerzen und der psychischen Gesundheit gilt es also ernst zu nehmen. Immerhin liegen bei einem Drittel der Patienten mit Rückenschmerzen auch psychische Faktoren vor.
Diese psychischen Faktoren sind für die Ärzteschaft schwerer greifbar. Erfährt man zum Beispiel, dass ein Patient bei der Arbeit oft schwere Lasten trägt und beim Sitzen eine ungünstige Haltung einnimmt, ist der Grund für die Rückenschmerzen einfach zu diagnostizieren. Wenn der Grund bekannt ist, wird es auch einfacher, den optimalen Behandlungsplan auszuarbeiten. Wenn hingegen psychische Gründe als Hauptursache für Rückenschmerzen verantwortlich gemacht werden, ist der gesamte Prozess deutlich schwieriger. Erstmals ist es schwieriger, psychische Faktoren ausfindig zu machen. Fälschlicherweise gehen Ärztinnen und Ärzte meistens bis immer von einem somatischen Grund aus. Ist die Ursache jedoch nicht körperlich bedingt, gibt es eine Diskrepanz zwischen Befund und Befinden. Angenommen ein Befund (zum Beispiel ein bildgebendes Verfahren oder eine Haltungsanalyse) gibt keinen Aufschluss darüber, wieso eine Patientin Rückenschmerzen hat, so kann man als Ärztin oder Arzt der Patientin mitteilen: „Die Diagnoseverfahren haben nichts ergeben, Sie haben also nichts.“ Denn das Befinden dieser Patientin bleibt beeinträchtigt und sie leidet an Rückenschmerzen. Nur weil der Befund es nicht bestätigen konnte, heisst das nicht, dass die Patientin keine Schmerzen hat. Das ist eine sehr schwierige Situation für beide Seiten. Die Patientin möchte gerne wissen, woher die Schmerzen kommen, und der Arzt oder die Ärztin kann diese Frage aufgrund der Diskrepanz zwischen Befinden und Befund (noch) nicht beantworten.
Als Arzt oder Ärztin ist dann der nächste logische Schritt, dass man die psychische Komponente miteinbezieht und entsprechend bei der Patientin nachfragt. Das birgt jedoch auch Probleme und die Situation wird dadurch deutlich komplexer. Über psychische Gründe zu sprechen, fällt Patient*innen oft schwer. Aber auch der Arzt oder die Ärztin muss sich genau überlegen, wie er oder sie dieses Thema am besten angegangeht. Denn der Weg, psychische Gründe als Hauptgrund zu vermitteln ist schwieriger als festzustellen, dass eine Fehlhaltung beim Sitzen der Grund für die Rückenschmerzen sind. Ganz wichtig dabei ist, dass psychische Komponenten nicht gleich eine schwere Depression sein müssen und dies auch klar angesprochen wird. Patient*innen denken beim Wort Psyche schnell an sehr schlimme psychisch bedingte Krankheiten. Oftmals ist es daher einfacher, zu Beginn eher von «Stress» und nicht von «Psyche» zu sprechen. Wenn nun also die Patientin gefragt wird, ob sie bei der Arbeit einem hohen Stresslevel ausgesetzt ist oder sie privat viel Stress erlebt und sie diese Frage bejaht, kann dies besprochen und möglicherweise als Grund für die Rückenschmerzen ausgemacht werden. Das braucht viel Empathie vonseiten der Ärzteschaft und dann auch einen Behandlungsplan, der nicht nur mögliche Medikamente und Physiotherapie umfasst, sondern bei schweren Fällen auch psychische Hilfe.
Oftmals sind Rückenschmerzen nicht nur auf eine Ursache zurückzuführen. Das zeigen auch die Prozentangaben beim Rückenreport von der Schweizerischen Ärztezeitung. Vielleicht oder eher hoffentlich bewegt sich die Medizin in Zukunft noch stärker dahin, dass der psychische Gesundheitszustand bei Rückenschmerzen stärker und vor allem früher miteinbezogen wird. Das erlaubt bei (teils) psychisch bedingten Rückenschmerzen nicht nur schnellere Behandlungsoptionen, sondern spart auch Gesundheitskosten ein, da ein langes Suchen nach der Ursache meist mit hohen Kosten verbunden ist.
Quelle
Müller, Angela (2021). Rückenreport 2020. https://saez.ch/article/doi/saez.2021.19449 (zuletzt am 09.02.2022 um 17:00)
Student Humanmedizin
Medizinischer Content-Provider (MED4LIFE)
Unser Leben ist eine Reise durch verschiedenartigste Herausforderungen auf allen erdenklichen Niveaus. Schon die Geburt stellt das menschliche Wesen vor schier unüberwindbare Hürden. Zu diesem Zeitpunkt und auch ein paar Jahre in der Folge bewältigt das menschliche Kind immense Aufgaben, angefangen beim Start in eine kalte, grelle Welt, hungrig und frierend, nachdem es die allumfassende Wärme und Geborgenheit des mütterlichen Körpers verlassen musste. Unbewusst und intuitiv nimmt das Kleinkind die ersten Jahre in Angriff, in denen es die Wahrnehmung der Dinge, das Sprechen, das Kriechen, Aufrichten und Gehen und vieles mehr erlernt. Später tritt zu den instinktiven Prozessen die bewusste Handlung (Aktion und Reaktion) hinzu. Dabei ist immer entscheidend, wie ein Mensch mit der anstehenden Herausforderung umgeht. Was habe ich zur Verfügung, um eine Situation zu bewältigen? Auf welche Ressourcen kann ich zurückgreifen? Was oder wer hat mich geprägt, sodass ich gelernte Methoden anwenden kann? Was bringe ich als individueller Mensch an angeborenen und erworbenen Strategien mit? Was sind meine Talente und Fähigkeiten, angemessen und dienlich zu reagieren?
All diese Fragen beziehen sich auf die Resilienz. Resilienz ist Widerstandsfähigkeit, innere Stärke, die Haltung von Mut und Klarheit, im Falle von Niederlage, Unglück, Krisen, Stress und Belastungen einen Weg zu finden, diese zu überwinden und zu bewältigen. Resilienz ist bei jedem Menschen vorhanden, aber je nach Prägung, Erfahrung und Persönlichkeit unterschiedlich. Resilienz ist etwas, was jeder Mensch schon mitbringt, aber was jeder Mensch in seinem Entwicklungsprozess und je nach Bewusstsein dafür auch aktiv kultivieren kann. Damit sind wir nicht auf Gedeih und Verderben unseren Genen, unseren Familienverhältnissen oder unserem schlechten Start auf Erden ausgeliefert, sondern haben immer die Möglichkeit, an unserem Schicksal und den damit verbunden Bewältigungsstrategien zu arbeiten. Jedes Unglück birgt das Potential, daran zu zerbrechen oder daran zu wachsen. Es ist aber notwendig, dass uns entsprechende Menschen in den entscheidenden Momenten begegnen. Oder aber, dass auch Menschen in unserem Umfeld sind und waren, die uns vorausgingen und anhand ihres eigenen Schicksals zeigten, wie man eine Krise angehen könnte.
Die Eltern haben meines Erachtens eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Resilienz eines Kindes. Einerseits sind sie Vorbilder, denn die Kinder beobachten, wie sie Stresssituationen begegnen, andererseits haben sie die heikle und anspruchsvolle Aufgabe, das Kind in seinen Fähigkeiten und Talenten zu erkennen und zu fördern, es nicht zu sehr einzuschränken und dennoch weise zu führen. So entsteht eine Basis, auf der das Kind aufbaut. Wie gut Eltern dieser Aufgabe gerecht werden, hängt davon ab, wie gut sie selber in ihrer Kindheit angeleitet wurden und wie authentisch sie sich entwickeln durften – wie stabil also ihre eigene Basis und somit ihre Resilienz ist. Je älter ein Kind wird, desto wichtiger werden auch andere Menschen, die es begleiten und beeinflussen. Dadurch ergeben sich wiederum Möglichkeiten, Bewältigungsstrategien zu erlernen oder zu aktivieren. In einer Krise gibt es unzählige Vorgehensweisen. Niemand muss damit alleine bleiben. Tatsächlich ist es oft eine sehr gute Idee, sich Hilfe zu holen. Indem ich eine Krise durchlebe und Hilfe erfahre, erhöhe ich meine Resilienz und bin für eine nächste Krise schon besser gewappnet – nicht zuletzt weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es einen Ausweg gibt. So durchlaufen wir in unserem Leben unendlich viele kleine und grosse Herausforderungen und wachsen daran, obwohl wir dies meistens erst in der Rückschau erkennen.
Tritt eine Belastung auf, gehe ich in mich und überprüfe, was für Strategien, welches Wissen und welche meiner Fähigkeiten mir zur Verfügung stehen, dieses Problem zu meistern. Danach überlege ich mir, welche Hilfe ich in Anspruch nehmen kann, um meine Resilienz zu potenzieren. Am Anfang steht meistens ein Gespräch mit einem Menschen, dem ich vertraue und dessen Meinung meine Anschauungen ergänzt und nährt. Aus diesem Gespräch nehme ich Anregungen mit auf den Weg, mit denen ich in Resonanz getreten bin. Indem ich diese Anregungen überprüfe und aktiv angehe, erhöhe ich wiederum meine Resilienz. So bewege ich mich in meinem Prozess Schritt für Schritt vorwärts und durch die Krise hindurch. Die Resilienz ist eine Gabe, eine Fähigkeit, die sich wandelt, die wächst und sich verändert. Je bewusster ich meine Widerstandsfähigkeit trainiere, desto stabiler werde ich, desto vertrauensvoller schaue ich in die Zukunft, da ich – nun aus Erfahrung – weiss, dass ich die Krisen meistern werde.
Resilienz Test
…und die 7 Säulen der Resilienz: Selbstbewusstsein, Optimismus, Realismus, Gefühlsstabilität, Analysestärke, Kontaktfreude und Handlungskontrolle:
Je mehr der Aussagen mit ja beantwortet werden können, desto resilienter ist ein Mensch. (Jochen Mai, https://karrierebibel.de/resilienz/)
Leiterin Komplementärmedizin (MED4LIFE)
Lange hat sich die Psychologie auf die Heilung klassischer Krankheitsbilder – wie z.B. Depressionen und Schizophrenie – fokussiert. Erst in den letzten Jahrzehnten entstand unter dem Schlagwort „Positive Psychologie“ ein neuer Teilbereich, der sich u.a. damit befasst, wie wir ein glückliches, zufriedenes Leben führen können.
Bausteine eines zufriedenen, glücklichen Lebens
Der Begriff Zufriedenheit anstatt Glück wird an dieser Stelle bewusst gewählt. Er bringt zum Ausdruck, dass es bei dem Themenfeld nicht darum geht, negative Emotionen wie Angst oder Wut abzulösen und durch möglichst viele Momente des (oft) kurzen Glücks zu ersetzen. Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und positive Erlebnisse werden schnell zur Selbstverständlichkeit. Ziel ist vielmehr der Aufbau einer nachhaltigen Resilienz und Zufriedenheit.
Seligman unterscheidet in seiner „Glücksformel“ drei Faktoren, die unsere Zufriedenheit bestimmen: Einen Basis-Wert, der durch unsere Gene und Persönlichkeit bestimmt wird, die Umstände bzw. Umweltfaktoren und „freiwillige Faktoren“. Es ist durchaus so, dass unsere Persönlichkeit eine erste Ausrichtung vorgibt, wie optimistisch wir z.B. in die Zukunft blicken. Und auch der Bereich der Umweltfaktoren dürfte uns wohl allen bekannt sein. Aber entscheidend ist der letzte Faktor, denn er besagt, dass wir selbst einen essenziellen Beitrag zu unserer Zufriedenheit leisten können! Es gilt, diesen Einflussbereich zu vergrössern und den Fokus darauf zu legen.
Das „angenehme“ Leben
Im ersten Ansatzpunkt geht es darum, wie wir positive Emotionen wie Freude, Vergnügen oder Begeisterung verstärken können. Beeinflusst werden wir dabei durch unseren Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Beginnen wir mit der Vergangenheit. Oftmals neigen wir dazu, gerade negative Erlebnisse aus der Vergangenheit auf heute zu übertragen: „Ich habe immer Pech!“. Ziel ist es deshalb, durch Dankbarkeit und Vergebung die Wahrnehmung der Vergangenheit zu verändern. Eine Möglichkeit:
Werkzeug 1: Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch. Versuchen Sie es und notieren Sie sich die nächsten 4 Wochen jeweils abends drei Dinge, Menschen oder Erlebnisse, für die Sie dankbar sind!
Beim Blick in die Zukunft geht es nicht um blinden Optimismus, sondern darum, unsere Zuversicht zu stärken. Konkret heisst das, dass ich ein einzelnes, negatives Ereignis nicht als dauerhafte Katastrophe ansehe, die all meine anderen Lebensbereiche betrifft.
Werkzeug 2: Hinterfragen Sie Ihre Interpretation der Situation kritisch und geraten Sie nicht in eine Negativspirale. Schreiben Sie auf, was Sie gerade beschäftigt, oder sprechen Sie mit einem vertrauten Menschen. Ist es wirklich so schlimm? Ist Ihre Erklärung für einen Konflikt wirklich sinnvoll oder gibt es Alternativen?
Der Ansatzpunkt der Gegenwart zielt darauf, den Augenblick bewusst zu erleben. Was sich hochtrabend anhört, kennen wir doch alle. Wir sind auf dem Weg nach Hause und können uns am Ende gar nicht mehr erinnern, wie genau wir angekommen sind. Unser Gehirn ist darauf gepolt, auf Neues zu reagieren – also Energie zu sparen über Routinen. Dies ist durchaus sinnvoll, führt aber auch dazu, dass wir immer mehr wollen und selten zufrieden sind.
Werkzeug 3: Durchbrechen Sie Ihre Routinen und nehmen Sie einmal einen anderen Weg nach Hause.
Werkzeug 4: Nehmen Sie sich ein paar Minuten und machen Sie etwas bewusst mit allen Sinnen – z.B. ein Stück Schokolade essen oder einen Kaffee trinken.
Das „gute“ und sinnstiftende Leben
Die Verstärkung positiver Emotionen ist aber nur ein Ansatzpunkt. Zentral ist es, darüber hinaus ein für sich selbst „gutes“ und sinnstiftendes Leben zu führen. Was ist damit gemeint? Gemeinsam mit Kollegen aus dem Feld der positiven Psychologie hat Seligman 24 sogenannte „Signature/Character Strengths“ identifiziert. Dabei geht es um Stärken, die uns als Person auszeichnen und deren Ausleben für uns mühelos ist bzw. uns Energie zurückgibt. Im besten Fall erleben wir eine Art „Flow“-Moment, vergessen die Zeit und gehen in der aktuellen Tätigkeit auf. Beispiele für die Charakterstärken sind Neugierde, Ehrlichkeit oder soziale Intelligenz.
Es geht also nicht darum, Schwächen zu eliminieren, sondern Möglichkeiten zu finden, die eigenen Stärken im Alltag auszuleben. Setzen wir unsere Stärken zudem sinnstiftend ein, sind wir auf dem besten Weg zu einem nachhaltig zufriedenen Leben. Was wir dabei als sinnstiftend empfinden, gilt es für jeden persönlich zu entdecken.
Werkzeug 5: Identifizieren Sie Ihre Charakterstärken und finden Sie Wege, diese im Alltag zu integrieren. Eine kostenlose Möglichkeit bietet sich hier: VIA Character Strengths Survey & Character Reports | VIA Institute
Bei allen Vorschlägen gilt: Finden Sie heraus, was Ihnen Spass macht und fangen Sie damit an! Denn die Forschung zeigt auch: Eine Abkürzung zur nachhaltigen Resilienz und Zufriedenheit gibt es nicht. Wir sind gefordert, an uns und mit uns zu arbeiten.
Expertin für Positive Psychologie (MED4LIFE)
«Zu hoher Zucker, zu schwer, zu füllig an den Rippen, zu hoher Blutdruck, zu hohe Fettwerte… Wenn Sie so weiter machen, dann endet das in einer metabolischen Gefäss-Herzkreislauf-Katastrophe mit Insulinspritzen, Arthrosen, Schlaganfall und Herzinfarkt! Ausser Sie tun genau das, was wir Ihnen sagen». So oder so ähnlich beginnen viele Ratgeber zum metabolischen Syndrom. Nun, das Schüren der Angst mag bei einigen Betroffenen zu einer Verbesserung der soeben aufgeführten Parameter führen. Der Impuls zur Änderung des Lifestyles – so bleibt jedoch auf Basis meiner jahrzehntelangen Erfahrung in der ambulanten Medizin zu befürchten – entspringt viel zu häufig Bedenken und Angst. Angst ist leider ein mächtiger und manipulativer Ratgeber. Drohende gesundheitliche Folgeerkrankungen und gesellschaftliche Schönheitsideale sorgen für ein schlechtes Gewissen und Angst, am „Schaufeln des eigenen Grabs“ oder der sozialen Isolation am Ende selbst Schuld zu sein. In unserer Leistungsgesellschaft ist der Druck auf dem Einzelnen, seines eigenen Glückes Schmied zu sein, sehr hoch.
Kommen wir zunächst zu den Komponenten des Metabolischen Syndroms, um ein einheitliches Verständnis für die damit bezeichneten Symptome zu kreieren.
Erhöhter Blutzucker
Ein erhöhter Blutzucker geht meist einher mit Übergewicht oder kann die Folge von Inaktivität sein. Es ist ein Phänomen des 21. Jahrhunderts, dass wir uns immer weniger Zeit für reale Bewegung nehmen. Damit meine ich Zeitfenster für sportliche Aktivitäten oder ein erholsamer Waldspaziergang und nicht die omnipräsente Rastlosigkeit und Angst, etwas zu verpassen. Es ist grotesk: Termindruck und Alltagshektik sorgen für psychische Dynamik (oft unvorteilhaft), aber für körperliche Bequemlichkeit und Stillstand. Lösen wir uns doch von der Angst, nicht effektiv zu sein, und gönnen uns öfter einmal eine längere Wanderung. Ja, auch Sport darf sein – und gerne mehr als die notwendigen 20 min/Woche, die uns die Hightech-Fitnessindustrie empfiehlt. Sport und Bewegung ist Zeit für uns: Wir müssen sie uns nur nehmen.
Arterielle Hypertonie
Der erhöhte Blutdruck ist ein Phänomen für sich und kann natürlich auch bei nicht metabolischen Betroffenen auftreten. Sollte man aber Gewicht, Blutzucker und Blutfette in den Normbereich senken, kann man in der Regel auch mit einer Verbesserung des Blutdrucks rechnen. Wieso straft uns die Natur denn überhaupt mit unterschiedlichen Werten des Blutdrucks? Ein dauerhafter Paradeblutdruck von 120/80 mmHg wäre doch viel einfacher. Nun, fragen Sie sich einmal, wieso ein PKW mehrere Gänge und ein Gaspedal hat. Nach dieser Logik benötigt der Körper bei hoher körperlicher Belastung mehr Versorgung mit sauerstoffreichem Blut als im Ruhezustand. Diese Variabilität hilft uns, uns bestmöglich an eine abwechslungsreiche Umwelt anzupassen. Aber auch hier wird mit den Folgen einer Bluthochdruckerkrankung viel zu aktiv geworben und vorschnelle Therapien in die Wege geleitet. Zunächst einmal geht nichts über eine saubere Dokumentation der Blutdruckwerte (z.B. in Form eines Tagebuchs). Wie gesagt: Unser Körper passt sich an. Eine Behandlung auf Basis eines einzelnen gemessenen Wertes ist fahrlässig und unseriös. Ich plädiere grundsätzlich für eine Entmystifizierung des Bluthochdrucks: Er ist häufig gut zu verstehen und gut zu therapieren – und muss nicht zwingend ein lebenslanges Schicksal sein, dem man sich nun beugen muss.
Hat sich jemand eigentlich schon mal Gedanken gemacht, was aus der Angst wird, wenn das metabolische Syndrom (teilweise) zu akzeptablen Normwerten reguliert wurde? Viele der Indikatoren eines Metabolischen Syndroms sind nämlich reversibel, also bei entsprechenden Anpassungen des Lebensstils umkehrbar – oft ohne bleibende Schäden je nach Schwere der Symptomatik und Zeitpunkt der Intervention.
Könnte es sein, dass diese Angst sich irgendwo in uns als dauerhafte Triebfeder eingenistet hat und uns somit «schützt»? Das mag wohl die positive Theorie zu unserer Verhaltensänderung darstellen – die Angst als natürliche Schleife, damit wir überleben. Es könnte aber doch auch sein, dass wir dauerhaft von dieser kleinen, lästigen Angst unbewusst geplagt sind, welche sich nur allzu gerne mit weiteren kleinen Ängsten zu einem beträchtlichen Konvolut von Angst entwickeln kann. Hier das Übergewicht, dort eine gescheiterte Beziehung und an anderer Stelle eine chronische Unzufriedenheit im Job: Unglück kommt selten allein, genauso wenig wie eine manifeste Depression. Ich denke eine etwas andere Betrachtungsweise hätte ebenso einmal einen Gedanken verdient. Am Ende ist vielleicht alles gar nicht so schlimm und türmt sich auf, wenn wir der ursprünglichen Ausgangslage etwas Positives abgewinnen – ohne die Angst als extrinsischen Reiz zu instrumentalisieren.
Ich habe versucht aufzuzeigen, dass ein Metabolisches Syndrom – aus physiologischen Ängsten entstehend – bei falscher Herangehensweise dauerhaft zum generellen Angstgefühl beitragen kann. Was also wäre mein Vorschlag? Reden Sie mit Ihrem Arzt – er wird Ihnen (hoffentlich) das richtige Team zur Seite stellen, um eine etwas andere, weniger bedrohliche Perspektive zu schaffen. Aber auch Sie selbst sind gefordert – und zwar in einem schönen, motivierenden Sinn: Nehmen Sie sich auch Zeit für sich, bewegen Sie sich, kochen Sie gemeinsam mit Familie und Freunden. Fokussieren Sie sich auf das, was Ihr Körper zu leisten imstande ist – nicht nur auf Defizite im Vergleich zu anderen Menschen. Sie werden sehen, dass Ihr Körper Ihnen bei vielen der aufgeführten Aktivitäten ein positives Feedback geben wird, welches Sie motiviert, weiterzumachen. Unsere Gesellschaft ist zu ängstlich geworden. Kopf einziehen und verstecken hilft hier nicht. Mit positiver Energie lässt sich nachhaltiger Wandel am besten umsetzen. Viele meiner Patienten, die von Ausprägungen eines Metabolischen Syndroms betroffen waren und sich selbst geheilt haben, würden mir hier zustimmen.
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Chief Medical Officer (MED4LIFE)
Die empfehlende Aussage «gesunder Geist in einem gesunden Körper» (MSICS), unterliegt seit seinem römischen Ursprung einem steten Wandel durch die Jahrhunderte. Allerdings nicht in der Kernaussage, sondern in den Umständen der Möglichkeiten zur aktiven Umsetzung. Noch nie war es vermeintlich einfacher, das Konzept MSICS im digitalen Zeitalter effektiv zu leben. Das Internet bietet ausreichend Instruktion zu individuell angepasstem Training, Ernährung, Lifestyle und Ratgeber-Wissen (den Blogbeitrag, den Sie gerade lesen, ist ein Indiz hierfür). Devices wie Smartwatches führen Buch über Gehleistung, Schlaf und Herzrhythmus – praktisch jede Frage, die wir uns zu unserer Gesundheit stellen können, hat ein digitales Pendant. In der Unternehmenswelt entsteht eine richtige Gründerwelle zum Thema „Digital Health“. Und auch die Wissenschaft hält Schritt mit diesen Entwicklungen: So betreibt die ETH Zürich das Centre for Digital Health Interventions (CDHI), das digitale Biomarker zur Vermeidung chronischer und psychischer Erkrankungen erforscht.
So weit, so gut. Die digitale Welt erleichtert uns also unsere Lernkurve und erhöht unseren Wissensstand. Optimal gerüstet ist der Geist (Mens) in den heutigen Zeiten also gesund? Weit gefehlt! Ein gesunder Geist ist ein solcher, der sich selbst findet, in sich ruht und wächst an selbstbestimmter Herausforderung – und nicht an steter Überforderung. Die digitale Welt ist mittlerweile an Informationsvolumen nicht mehr greifbar, es wächst exponentiell. Die Gefahr einer Überinformation ist naheliegend, insbesondere wenn die Kompetenz für Filterung und Selektion der relevanten Informationen nicht (mehr) vorhanden ist. Wir haben es also mit einem klassischen Paradoxon zu tun: Das verfügbare Wissen rund um Gesundheit war in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so gross wie heute – und doch macht uns unser Lebensstil so krank wie nie zuvor (daher auch der Begriff der „Zivilisationskrankheiten“).
Die Anforderung, der wir uns als digital anerzogene oder digital native Generationen stellen müssen, ist die klare Trennung zwischen der digitalen Welt und den Sinneseindrücken der realen Welt. Erfahrungen in der einen Welt können nicht kompensieren für Defizite in der anderen Welt. Dies gilt insbesondere für heutzutage stark verbreitete Missstände in der realen Welt – hier können Körper und Geist gesundheitsfördernd behandelt werden: Ausreichend Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Zeit an der frische Luft, kontrollierte Sonneneinstrahlung und erholsamer Schlaf.
Unter dem Aspekt der unbewussten digitalen Beeinflussung bringt mich ein analoger Turnschuh zum Schmunzeln. Die nicht unbekannte Laufschuhmarke nutzt als Markennamen das Akronym ASICS: «Animus sana in corpore sano», Geist (Mens) wird also durch Seele, Herz und Mut (Animus) ersetzt. Wunderbar analog! Und die wenigsten ASICS-Träger sind sich bewusst, dass sie auf einer alten Weissheit stehen und laufen.
Kommen wir zurück zum «sich selbst finden». Das ist leichter gesagt als getan. Man könnte meinen, dass sich finden voraussetzt, bisweilen auch verloren zu sein. Ich würde es etwas milder formulieren und davon ausgehen, dass man in seinen Lebensphasen mehrfach abgelenkt wird und einfach wieder dorthin zurückfinden sollte, wo es damals für die meisten von uns so wunderbar einfach war: In der (hoffentlich) unbeschwerten Kindheit.
Haben Sie kürzlich einmal die Augen eines Kindes gesehen, welches Freude strahlend über eine Wiese geht, wenn die Sonne scheint oder übermütig in einen Schneehaufen springt? Kennen Sie den Glanz wissbegieriger Kinderaugen, die noch träumen können, und bereit sind, jeden Tag Neues zu lernen und die Welt zu erkunden? Niemand muss einem Kind den Spass an Bewegung vermitteln (corpore sano) – es liegt in unserer DNA. Ebenso sind Kinder sehr direkt in der Artikulation ihrer Bedürfnisse, Wünsche und Ansichten. Worüber wir Erwachsene in solchen Situationen häufig schmunzeln oder im Sinne der Höflichkeit die Nase rümpfen, ist ein wesentlicher Teil psychischer Hygiene (mens sana): Authentisch sein dürfen und in Einklang mit sich selbst leben. Leider haben viele von uns auf dem Weg, den Sie über Jahrzehnte gegangen sind, ihre Wurzeln vergessen: Spielen, Spass haben, Neues lernen. Dementsprechend entsteht häufig ein Gefühl der Hilf- und Orientierungslosigkeit.
Ist die Lösung für die Gesundheit der Menschheit also eine völlige Abkehr von der digitalen Welt? Immerhin machen Social Media, häufiges Sitzen, lange Bildschirmzeiten nachweislich krank bzw. unglücklich. Zunächst dürfen Körper und Geist nicht getrennt voneinander betrachtet werden – das relativ junge Forschungsfeld der Psychoneuroimmunologie belegt die vielfältigen Wechselwirkungen (entgegen der separaten Sichtweise der alten Römer). Körper und Geist können also nicht zum Einklang finden, solange der Mensch nicht zu sich und seiner Psyche steht (Mens) und seinen Körper „artgerecht“ unterhält (Corpore).
Was ist diesbezüglich der aktuelle Stand? Widmen wir uns doch einmal dem perfekten Körper. Er ist durchtrainiert, perfekt ernährt, ästhetisch ansprechend. Würde so ein Körper automatisch zum gesunden Geist führen? Nun, digital vielleicht – allzu gross ist die Versuchung, sich in den sozialen Medien als glücklicher, durchtrainierter und gesunder Mensch zu präsentieren. Die Realität liegt allerdings noch immer in der analogen Welt. Im Gespräch mit Augenkontakt, im Empfinden der Aura des Gegenüber, in der Wahrnehmung der umgebenden Umwelt – das ist evolutionär determiniert durch unser Erbe als soziale Lebewesen. Was uns unsere römischen Vorfahren sagen wollten, ist, dass ein gesunder Geist nur in der realen Welt stattfinden kann. Oder haben Sie jemals geschafft, 10 digitale Liegestützen zu machen?
Fazit: Die digitale Welt ist etwas Wunderbares, wenn man sie zu nutzen weiss. Allerdings zwingend innerhalb der Grenzen unserer realen Welt, nicht umgekehrt. Warum nicht einmal ohne Smartphone und Laptop auf einer Parkbank oder in einem gemütlichen Café sitzen und die wunderbare Gegenwart der realen, analogen Welt geniessen? Das wäre mir ein persönliches Anliegen als Mensch, aber auch ein fachliches Anliegen auf Basis meines Wissens rund um einen gesunden Geist in einem gesunden Körper.
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Chief Medical Officer (MED4LIFE)